Prof. Dr. Martin Brehm erforscht computergestützte Analysen und Vorhersagen von Materialeigenschaften
Wie lassen sich Materialeigenschaften mithilfe von Computern beschreiben und sogar vorhersagen? Das erforscht Prof. Dr. Martin Brehm, der dieses Jahr als Heisenberg-Professor an die Universität Paderborn berufen wurde. „Unser Ziel ist es, Methoden zu entwickeln, die eine zuverlässige Vorhersagekraft besitzen – selbst über Substanzen, die noch nie irgendwo auf der Erde hergestellt oder vermessen worden sind“, so der Leiter des neuen Arbeitskreises „Theoretische Spektroskopie“ an der Universität Paderborn. Die renommierte Heisenberg-Professur der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist Teil des Heisenberg-Förderprogramms und bietet Universitäten einen Anreiz, neue Lebenszeit-Professorenstellen für herausragende junge Wissenschaftler*innen, die bereits alle Voraussetzungen für die Berufung erfüllen, zu schaffen.
Theoretische Chemie trifft Supercomputer
Möglich wird Brehms Forschungsarbeit durch den Einsatz von Quantenchemie. Der Wissenschaftler erklärt: „Das Verhalten mikroskopischer Systeme, zum Beispiel von Molekülen, wird im Rahmen der Quantenforschung vollständig durch die sogenannte Schrödinger-Gleichung beschrieben. Diese benötigt keine Daten über die konkrete Substanz, sondern funktioniert allgemeingültig. Es ist also quasi eine ‚Weltformel im Kleinen‘.“ Um die Schrödinger-Gleichung zu lösen und so Vorhersagen über bisher unbekannte Substanzen treffen zu können oder die Reinheit von Produkten zu überprüfen, sind jedoch zahlreiche zeitaufwendige Berechnungen notwendig. Dafür nutzt der Chemiker den Supercomputer „Noctua 2“ des Paderborn Center for Parallel Computing (PC2) der Universität Paderborn.
Mithilfe des Supercomputers arbeitet Brehm daran, Methoden zur Analyse und Prognose von Flüssigkeiten zu entwickeln. „Für einzelne Moleküle im Vakuum und kristalline Feststoffe gibt es seit Jahrzehnten etablierte Verfahren. Aber Flüssigkeiten sind ungeordnet und auf mikroskopischer Ebene ständig in Bewegung. Dort spielen Effekte eine große Rolle, die bisher kaum in den Rechnungen berücksichtigt werden konnten. Genau dort setzen wir an“, so der Wissenschaftler.
Durch besseres Verständnis zu zukunftsweisenden Lösungen
Durch die Grundlagenforschung in Paderborn wollen Brehm und sein Team ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden Effekte und Wechselwirkungen schaffen. Wie wichtig diese Methoden für die Praxis sind, zeigen konkrete Anwendungsfälle. In seiner Forschung konzentriert sich Brehm u. a. auf sogenannte ionische Flüssigkeiten. „Das ist eine Substanzklasse, die aufgrund ihrer Eigenschaften oft als ‚grünes Lösungsmittel‘ oder ‚Lösungsmittel der Zukunft‘ gehandelt wird“, erläutert der Chemiker. So könne man z. B. Cellulose in ionischen Flüssigkeiten auflösen, was bisher in kaum einem anderen Lösungsmittel möglich sei. Das habe etwa das Potenzial, die Papier-Industrie zu revolutionieren: „Bisher entsteht bei der Papierherstellung sehr viel kontaminiertes Abwasser, was durch die Verwendung ionischer Flüssigkeiten nicht mehr in dem Maße der Fall wäre“, betont er.
Damit die neuen computergestützten Methoden auch von anderen Wissenschaftler*innen genutzt werden können, arbeitet Brehm außerdem an der Entwicklung entsprechender Software. Durch diese sollen Wissenschaftler*innen weltweit freien und kostenlosen Zugriff auf die in Paderborn entwickelten Methoden erhalten, um bislang offenen Forschungsfragen nachgehen zu können.